Zur grafischen Serie "Energie-Junkies"
Energie. Wir brauchen sie. Lebensqualität durch Wärme, Licht
und Kommunikation, durch Produktion und Produkte, durch Mobilität.
Niemand mag sich die Welt ohne elektrischen Strom und Treibstoff vorstellen.
Und wir gewinnen die Energie aus organischen und fossilen Brennstoffen,
aus Atomen, aus Wind, Wasser und Sonne.
Die Zeiten, in denen Dampfmaschinen und Schlote schwarze Qualmwolken in
die Natur räucherten, sind - zumindest in unseren Breiten - gottlob
vorbei. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst geworden und wissen
um die möglichen Folgen von Verschmutzung für unsere Um- und
Mitwelt. Dazu gehören nicht nur die sichtbaren Sofortwirkungen der
Energiegewinnung wie Rauch und Raubbau, sondern auch die unsichtbaren,
schleichenden Übel, die sich zum Beispiel in der unsicheren Zwischen-
und Endlagerung von radioaktiven oder chemischen Stoffen darstellen. Dagegen
wollen wir etwas tun, und das ist gut so.
Nun hat der Mensch von Natur aus nichts dagegen, etwas dagegen zu tun,
solange ... ja, solange es ihm selbst möglichst nichts abverlangt.
Wir wollen weder auf Wärme, auf Licht noch auf all die anderen angenehmen
und gewohnten Dinge verzichten, die uns die woraus auch immer gewonnene
Energie zur Verfügung stellt. Und deshalb sind wir so dankbar für
die Möglichkeit, zwischen guter und böser Energiegewinnung unterscheiden
zu können. Eine Möglichkeit, die uns nicht etwa von Umweltschützern
sondern von Industrie und Politik geboten wird. Und so beruhigen wir uns,
indem wir gegen die bösen Atomkraftwerke und für die guten Wind-
und Solarparks sind. "Saubere" Energie ist das, was wir verbrauchen
wollen. Natürlich sind sie nicht schön, all diese Windmühlen,
die die Luft auf hektargroßen Geländen in kleine Stücke
häckseln. Und es ist nicht besonders nett, selbst Naturschutzgebiete
zum Aufstellen der dreiarmigen Riesen zu missbrauchen. Überhaupt
hängt einem der Anblick dieser Dinger, die den Horizont, wo immer
man sich befindet, verschmutzen, zum Hals heraus, und man freut sich regelrecht
über eine Landschaft, die noch von Mühlen und Paneelen verschont
geblieben ist. Aber: Es ist sauberer Strom, der hier gewonnen wird, und
wenn wir den verbrauchen, sind wir die Guten. Wir sind auch die Guten,
wenn weder wir noch unsere Autos rauchen. So einfach ist das: Ein Solarpaneel
aufs Dach, eine Windmühle in den Garten (meinetwegen auch umgekehrt),
den Vertrag mit den Elektrizitätswerken auf Ökostrom umgeschrieben,
das Elektroauto gesattelt und auf zum Marsch der Atomkraftgegner! Es ist
so leicht, ein Guter zu sein!
Als Künstler darf ich dumme und womöglich unbequeme Fragen stellen,
und ich stelle sie mit einer Serie von Zeichnungen, die ich "Energie-Junkies"
nenne. Sind wir automatisch umweltbewusst und gut, wenn wir uns von Industrie
und Politik vor den Karren der sauberen Energie spannen lassen? Oder wäre
es vielleicht ein wirksamerer Beitrag zum Schutz der Erde, das eigene
Verhalten beim Verbrauch dieser Energie in Frage zu stellen oder gar zu
ändern?
Ich erspare mir und Ihnen hier Mahnungen und Anregungen, außer dieser
einen: Brauchen wir tatsächlich so viel Energie wie wir verbrauchen?
Die wahre und richtige Antwort darauf wird gewiss ein Nein sein. Und die
angewandte Konsequenz aus dieser Antwort wäre, dass wir weniger Kraftwerke
nötig hätten. Nicht nur weniger Kernkraftwerke, sondern auch
weniger Wind- und Solarparks. Weniger Probleme bei der Bereitstellung
und Übertragung, weniger Probleme bei der Entsorgung ...- doch damit
eben auch weniger Profit für die Hersteller und Betreiber! Also sagen
sie uns, dass wir die Guten sind, wenn wir ihren Ökostrom verschwenden.
Und wir tun es. Mit gutem Gewissen.
März 2019
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