Die Erkenntnis, dass wohlgesetzte Worte, ein Vertrauen einflößendes Erscheinungsbild und ein Mindestmaß an Plausibilität jederzeit ausreichen, Wahrheit zu erschaffen, ist nicht neu: Es gibt keine objektive Wahrheit! Was allgemein als Wahrheit präsentiert wird, ist eine Form der Darstellung, der es gelingt, vorgefundene oder frei erfundene Gegebenheiten glaubwürdig zu interpretieren. Diese Wahrheit entsteht durch Übereinkunft und wächst mit der Anzahl des gläubigen Publikums.

Natürlich wird längst nicht mehr alles geglaubt.
Längst glauben nicht mehr alle alles.
Alle glauben längst nicht mehr alles.

Doch daraus folgt lediglich, dass sich die freie Interpretation des Vorhandenen, Vorge- oder Erfundenen immer raffinierterer Mittel bedient, ein gläubiges Publikum zu gewinnen. Mit Wissenschaft und Technik, mit Esoterik, Statistik und Philosophie, und natürlich mit Formeln, Riten und Symbolen, wird eine Tarnkappe geschaffen, unter der die Relativität der dargestellten Wahrheit nur noch sehr misstrauischen, sehr frei denkenden oder überdurchschnittlich intelligent lügenden Personen erkennbar ist.
Dafür, dass die Spuren für diese äußerst willkürliche Handhabung von "Wahrheit" für sehende Augen nirgends deutlicher zu erkennen sind als im sogenannten Kunstbetrieb, steht "das jahrhundertkunstwerk" als Beispiel, Beweis und Mahnung gleichermaßen.
Man stelle sich die Miniaturen im Stile der Alten Meister gemalt vor, vermeide im Text die allzu offensichtlich absurden Erfindungen und Formulierungen ... - man hätte ein Mittel in der Hand, die Kompetenz von Galeristen und Museumsleitern aufs peinlichste zu prüfen.